Raum für Vergebung und Verletztheit - Erste Dinner Church im Rheingau

veröffentlicht 20.11.2025 von Christian Weise, Dekanat Rheingau-Taunus

Bei Wohnzimmeratmosphäre mit anderen Gemeinschaft am Tisch erleben, von leichten und schweren Dingen reden, das konnten fast 80 Menschen jeden Alters in der Evangelischen Kirche in Mittelheim am Buß- und Bettag.

Josephine und Maya stehen am Eingang und begrüßen die ankommenden Gäste. Die Kirche in Mittelheim ist in buntes und gedämpftes Licht eingetaucht. Klaviermusik erklingt im Hintergrund und an zehn Tischgruppen stehen Brot, Käse, Wurst, Oliven, Gemüse, Aufstrich und Getränke. Fast 80 Menschen kommen - und das mitten in der Woche am Abend – zur ersten Dinner Church im Rheingau. Es ist Buß- und Bettag.

„Willkommen zu diesem Gottesdienst, an dem wir uns anschauen können was wir mitbringen, wie Verdecktes und Offenes, Verwundungen, Groll, Traurigkeit und all‘ das, was uns von den Menschen um uns herum und auch von Gott trennt“, leitet Hanna diesen besonderen Abend am Buß- und Bettag ein. Das Publikum zieht sich durch alle Altersklassen:  Jugendliche, junge Familien, junge und ältere Erwachsene sowie Senioren. Engagierte und Neugierige. 

“Es ist ein Experiment”, betonen Dekanatsjugendreferentin Angela Weiss und Pfarrerin Jennifer Bücher, die gemeinsam mit Josephine, Maya, Hanna, Nina und Jochen den Abend seit Wochen vorbereitet haben. Die jungen Erwachsenen aus Oestrich-Winkel hatten diese Art von Gottesdienst in der „Jungen Kirche“ in Gießen erlebt und waren fasziniert von der Atmosphäre. „Das wollen wir auch bei uns haben“, so der Tenor. Zusammen mit Bücher und Weiss haben sie zusammengesessen und die „Dinner Church“ in den Rheingau geholt.

„Das ist ja wie eine Wohnzimmerkirche“ sagt eine Besucherin. Sterne funkeln an der Decke, Kerzen brennen. Nach einer kurzen Einführung sind die Gäste eingeladen Tischgemeinschaft zu erleben. Dabei helfen ihnen Fragen, die auf den Tischen liegen, um ins Gespräch zu kommen. „Wir können uns begegnen, wir können uns gegenseitig stärken und können uns über schöne und schwierige Dinge austauschen“, so Jochen. Hanna und Nina erinnern daran, dass Tischgemeinschaft in der Bibel eine sehr große Bedeutung hat. „Gott ist immer Teil der Tischgemeinschaft", betont Nina. Manchmal merke man nicht, dass die Menschen Tisch auch Geschenke Gottes sein können, so Angela Weiss und blickt auf der Urvater Abraham zurück, der drei unbekannte Männer zu sich einlud, die sich später als Engel entpuppten und erklärten, dass er mit über 70 Jahren endlich Vater werden sollte. Hanna macht deutlich, dass Jesus konsequent mit Menschen am Tisch saß, die gesellschaftlich nicht geachtet waren. „Wir wollen eine bunte Kirche sein, mit Platz für alle“, betont Pfarrerin Jennifer Bücher. Miteinander Essen sei Ausdruck von Vergebung. Feinfühlig hat die Gruppe Lieder ausgesucht. Eingängige Melodien und Texte von Versöhnung, Vergebung und Anker im Leben. Nach dem Essen können die Menschen in der Kirche selbst Gebete aufschreiben, sich und anderen Segenssprüche ziehen oder sich von Jennifer Bücher segnen lassen. Diese unterschiedlichen Möglichkeiten nutzen die Besucher sehr rege. Es wird geredet und gelacht. „Der Blick auf andere Menschen bekommt eine neue liebevolle Perspektive“, sagt ein Mann sichtlich gerührt.